Medizinisches Cannabis: THC und CBD – Wirkmechanismen und therapeutische Einsatzfelder

Medizinisches Cannabis

Wirkprinzipien und pharmakologische Grundlagen

Medizinisches Cannabis umfasst eine Reihe standardisierter Arzneimittel, die auf definierten Wirkstoffprofilen basieren. Hauptwirkstoffe sind die Cannabinoide Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), die unterschiedliche pharmakologische Eigenschaften aufweisen.

THC gilt als schmerzlindernd, appetitstimulierend und antiemetisch. CBD wirkt überwiegend entkrampfend, anxiolytisch und antientzündlich. Beide Substanzen entfalten ihre Wirkung über das körpereigene Endocannabinoid-System.

Die gängigsten Darreichungsformen sind getrocknete Cannabisblüten zur Inhalation mittels medizinischer Verdampfer sowie ölbasierte Zubereitungen und Extrakte zur oralen Anwendung.

Indikationsspektrum – evidenzbasiert und anwendungsorientiert

Der therapeutische Nutzen von medizinischem Cannabis wird in der Fachwelt differenziert bewertet. Während es sich nicht um ein universelles Therapeutikum handelt, existieren für eine Reihe von Indikationen positive Erfahrungen und zum Teil belastbare klinische Daten.

Die häufigsten Anwendungsgebiete lassen sich folgenden Bereichen zuordnen:

  • Schmerzmedizin
    Chronische Schmerzen (insbesondere neuropathische Schmerzen)
    Tumorbedingte Schmerzsyndrome
    Rheumatische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis
    Fibromyalgie
    Migräne und Kopfschmerzerkrankungen
  • Neurologische Indikationen
    Spastiken bei Multipler Sklerose und anderen neurologischen Erkrankungen
    Tourette-Syndrom
    Therapieresistente Epilepsie (insbesondere bei Kindern)
    Restless-Legs-Syndrom
    Dyskinesien
  • Gastrointestinale und onkologische Begleiterscheinungen
    Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie
    Appetitlosigkeit und Kachexie bei onkologischen Erkrankungen oder HIV/AIDS
  • Psychiatrisch relevante Symptome
    Angststörungen und Panikattacken
    ADHS (im individuellen Off-Label-Einsatz)
    Schlafstörungen mit Einschlaf- oder Durchschlafproblematik
  • Weitere Einsatzbereiche
    Chronisch-entzündliche Erkrankungen
    Glaukom (drucksenkender Effekt)
    Depressive Verstimmungen im Kontext somatischer Grunderkrankungen

Ergänzende Perspektive: Versorgung mit Augenmaß

In der alltäglichen Versorgung begegnen Apotheken regelmäßig Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen, multimorbiden Verläufen oder komplexen Medikationsplänen.

Nicht selten besteht trotz leitliniengerechter Therapie ein unzureichender Behandlungserfolg – etwa bei chronischen Schmerzen, Schlafstörungen oder funktionellen Beschwerden. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, im interprofessionellen Dialog neue Optionen zu prüfen – auch außerhalb der konventionellen Standardverfahren.

Medizinisches Cannabis ist kein Ersatz für bewährte Therapien, kann aber in begründeten Fällen eine Ergänzung darstellen. Apotheken nehmen dabei eine unterstützende Rolle ein: als Ansprechstelle für Fragen zur Anwendung, zur Verträglichkeit im Mehrfachmedikationskontext oder als Hinweisgeber gegenüber Ärztinnen und Ärzten, wenn der Wunsch nach alternativen Behandlungswegen formuliert wird.

Medizinisches Cannabis – Klinischer Kontext und Versorgungspraxis

Die Entscheidung über eine Therapie mit medizinischem Cannabis erfolgt ärztlich – im Rahmen individueller Nutzen-Risiko-Abwägungen. Für Apotheken besteht die Aufgabe darin, eine qualitätsgesicherte Abgabe zu gewährleisten, über Nebenwirkungen aufzuklären, auf Wechselwirkungen zu achten und beratend zu begleiten.

Die Verordnungsrealität zeigt, dass Cannabisarzneimittel insbesondere dann verordnet werden, wenn konventionelle Therapieansätze ausgeschöpft oder nicht ausreichend wirksam sind.

CANAbene im Dialog

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Ist medizinisches Cannabis ein universell einsetzbares Arzneimittel?

Nein. Medizinisches Cannabis ist kein Allheilmittel, sondern eine mögliche Ergänzung im Rahmen individualisierter Therapiekonzepte – insbesondere dort, wo Standardverfahren an ihre Grenzen stoßen.

Für welche Indikationen wird Medizinisches Cannabis häufig eingesetzt?

Typische Anwendungsfelder sind chronische Schmerzen, Spastiken bei Multipler Sklerose, therapieresistente Epilepsie, Appetitlosigkeit, Übelkeit unter Chemotherapie sowie bestimmte psychiatrische Symptomatiken wie Schlaf- oder Angststörungen.

Wie unterscheidet sich die Wirkung von THC und CBD?

THC wirkt vor allem schmerzlindernd, appetitstimulierend und antiemetisch. CBD gilt als angstlösend, entkrampfend und entzündungshemmend. Beide Substanzen entfalten ihre Effekte über das körpereigene Endocannabinoid-System.

Ist medizinisches Cannabis für alle Patientengruppen geeignet?

Nein. Der Einsatz erfordert eine ärztliche Indikationsstellung und ist individuell zu prüfen. Faktoren wie Grunderkrankung, Vorbehandlung und Begleitmedikation müssen sorgfältig berücksichtigt werden.

Wie können Apotheken Patientinnen und Patienten in diesem Bereich unterstützen?

Apotheken sind wichtige Anlaufstellen für die sichere Abgabe und fachkundige Beratung zu Cannabisarzneimitteln – insbesondere bei Patienten mit Mehrfacherkrankungen oder chronischen Behandlungen. Wenn die bisherige Therapie nicht ausreichend wirkt, können Apotheker im Beratungsgespräch auf Medizinal-Cannabis als mögliche Alternative hinweisen und zur Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ermutigen.

Wann kann Medizinal-Cannabis ein Thema im Beratungsgespräch sein?

Medizinal-Cannabis kann dann angesprochen werden, wenn Patientinnen und Patienten trotz leitliniengerechter Therapie unter anhaltenden Beschwerden leiden – etwa bei chronischen Schmerzen, Schlafstörungen oder therapieresistenter Symptomatik. Auch bei ausgeprägter Polypharmazie oder unerwünschten Arzneimittelwirkungen kann es sinnvoll sein, ergänzende Optionen zu thematisieren. Die Apotheke nimmt dabei keine therapeutische Bewertung vor, kann aber Hinweise geben, ob eine ärztliche Rücksprache zur Klärung weiterer Behandlungsmöglichkeiten zielführend sein könnte.

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