Cannabis-Arzneimittel: Wachstumsfeld für Apotheken

Cannabis-Arzneimittel in der Apotheke

Dynamische Entwicklung seit Inkrafttreten des MedCanG

Mit Inkrafttreten des Medizinal-Cannabis-Gesetzes (MedCanG) zum 1. April 2024 haben sich die Rahmenbedingungen für die Abgabe von Cannabis-Arzneimitteln in Apotheken spürbar verändert. Die Marktbewegungen der letzten Monate weisen auf eine deutliche Zunahme der Nachfrage hin – sowohl hinsichtlich der Importmengen als auch der ausgestellten Verordnungen. 

Daten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zeigen, dass bereits in den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 rund 39,9 Tonnen Medizinal-Cannabis importiert wurden – ein Plus von über 27 % gegenüber dem Vorjahr.

Und diese Entwicklung setzt sich fort. Allein das dritte Quartal verzeichnete 20,1 Tonnen. Für das vierte Quartal wird ein ähnlich hohes Niveau erwartet.

Zunahme an Verordnungen, insbesondere im Bereich der Selbstzahler

Parallel zur Importentwicklung zeigt sich ein starker Anstieg der ausgestellten Verordnungen. Laut einer Auswertung der Bloomwell Group stieg die Zahl der Verschreibungen zwischen März und Dezember 2024 um über 1.000 %.

Ein großer Teil davon entfällt auf Privatverordnungen, häufig initiiert durch telemedizinische Plattformen, die patientenseitig einen niedrigschwelligen Zugang zur Verordnung ermöglichen.

Die Verordnungsmengen liegen dabei häufig im Bereich von 15 bis 50 Gramm Blüten pro Woche.

Regionale Apothekenversorgung im Fokus

Für Apotheken, die sich im Bereich der Cannabis-Versorgung positionieren, eröffnen sich neue wirtschaftliche Perspektiven. Zwar ist die Anzahl der versorgten Patientinnen und Patienten im Vergleich zu klassischen Indikationsfeldern derzeit noch überschaubar, die Umsatzrelevanz einzelner Verordnungen ist jedoch deutlich höher.

Einige Apotheken berichten bereits über spürbare Erlössteigerungen durch die Versorgung weniger, regelmäßig verordneter Privatpatienten.

In einem durch Fixhonorare und Rabattverträge geprägten Marktumfeld kann dies zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Basis beitragen – bei gleichzeitiger Wahrung des pharmazeutischen Anspruchs.

Marktvolumen mit Wachstumsperspektive

Die Marktforschung geht derzeit von 150.000 bis 250.000 behandelten Patientinnen und Patienten aus – mit weiter steigender Tendenz.

Für das Jahr 2023 wurde der GKV-Umsatz im Bereich Medizinal-Cannabis auf rund 470 Mio. EUR geschätzt. Vor dem Hintergrund steigender Verordnungszahlen und wachsender Angebotsstrukturen wird ein Marktvolumen von über einer Milliarde Euro bis 2028 prognostiziert.

Indikationsvielfalt mit erheblichem Versorgungspotenzial

Das therapeutische Einsatzspektrum von Cannabis-Arzneimitteln umfasst eine Vielzahl chronischer und neurologischer Erkrankungen, bei denen konventionelle Therapieoptionen häufig an ihre Grenzen stoßen.

In Deutschland leben rund 23 Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen, etwa 500.000 mit Epilepsie, 280.000 mit Multipler Sklerose und bis zu 10 % der Bevölkerung mit Restless-Legs-Syndrom.

Auch Erkrankungen wie Migräne, Angststörungen oder therapiebedingte Appetitlosigkeit betreffen Millionen von Menschen.

Prävalenz ausgewählter Erkrankungen in Deutschland

ErkrankungenPrävalenz / Anzahl Betroffener
Chronische SchmerzenEtwa 23 Millionen Menschen (ca. 28 % der Bevölkerung)
MigräneEtwa 23 Millionen Menschen (ca. 28 % der Bevölkerung)
Multiple Sklerose (MS)Über 280.000 Betroffene
EpilepsieRund 500.000 Menschen (ca. 0,6 % der Bevölkerung)
Restless-Legs-Syndrom (RLS)Prävalenz von etwa 10,6 %
Angststörungen7,9 % der Erwachsenen in ambulanter Versorgung
ADHS bei ErwachsenenPrävalenz zwischen 2,5 % und 4,4 %
Schlafstörungen (Insomnie)Etwa 6 % der Erwachsenen leiden an Insomnie

Nicht alle dieser Fälle sind unmittelbar für eine Behandlung mit Medizinal-Cannabis geeignet oder zugelassen.

Dennoch zeigt die epidemiologische Basis, dass das Potenzial für eine differenzierte, indikationsbezogene Versorgung erheblich ist – insbesondere dort, wo Standardtherapien nicht ausreichend greifen oder unerwünschte Nebenwirkungen auftreten.

Für Apotheken, die sich auf eine strukturierte Versorgung einstellen, ergibt sich daraus nicht nur ein langfristig wachsender Versorgungsauftrag, sondern auch die Möglichkeit, ein spezialisiertes Leistungsfeld zu etablieren – qualitätsgesichert, nachvollziehbar und mit hoher Relevanz für die individuelle Therapiebegleitung.

Cannabis-Arzneimittel bieten Handlungsspielräume für Apotheken

Die Entscheidung, ob und in welcher Form sich eine Apotheke im Bereich Medizinal-Cannabis engagiert, bleibt eine betriebliche Abwägung – abhängig von Ressourcen, Spezialisierung und regionalem Bedarf.

Gleichzeitig zeigt die aktuelle Entwicklung, dass es sich um ein dauerhaft relevantes Versorgungsfeld handelt, dessen wirtschaftliche Bedeutung weiter zunehmen dürfte.

Ein strukturierter Einstieg, gegebenenfalls begleitet von qualitätssichernden Maßnahmen, kann sowohl die Versorgungsqualität als auch die unternehmerische Planungssicherheit stärken.

Einordnung für Entscheidungsträger:innen – Was Apotheken jetzt wissen sollten

Die aktuelle Entwicklung im Bereich Medizinal-Cannabis ist nicht nur ein Marktphänomen, sondern zunehmend Teil der versorgungspraktischen Realität.

Für Apotheken stellt sich daher weniger die Frage, ob eine Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Medizinal-Cannabis sinnvoll ist – sondern wann, in welchem Umfang und mit welcher fachlichen Tiefe.

Der nachfolgende Überblick bietet erste Anhaltspunkte, um eine Bewertung vorzunehmen:

  • Importe steigen deutlich
    Bereits in den ersten drei Quartalen 2024 wurden mehr Medizinal-Cannabis-Produkte importiert als im gesamten Vorjahr.
  • Verordnungen nehmen zu – vor allem im Selbstzahlermarkt
    Die Zahl der Privatverordnungen hat sich seit Inkrafttreten des MedCanG vervielfacht. Telemedizinische Plattformen tragen wesentlich zur Dynamik bei.
  • Hoher Umsatz bei vergleichsweise wenigen Patienten
    Einzelfälle zeigen: Bereits eine geringe Anzahl regelmäßig versorgter Privatpatienten kann zur wirtschaftlichen Stabilisierung beitragen.
  • Regionale Versorgung bleibt zentral
    Trotz digitaler Prozesse bleibt die wohnortnahe Apotheke der wichtigste Bezugspunkt für viele Patientinnen und Patienten.
  • Wachstumsmarkt mit Versorgungsauftrag
    Die Kombination aus therapeutischer Relevanz, dokumentierter Qualität und wirtschaftlicher Perspektive macht Medizinal-Cannabis zu einem langfristig interessanten Geschäftsfeld.

CANAbene im Dialog

Sie haben Fragen?

Cannabis-Arzneimittel entwickeln sich zu einem relevanten Versorgungsbereich mit spezifischen Anforderungen an Apotheken. Ob Fragen zur praktischen Umsetzung, regionalen Markteinschätzung oder strukturierten Qualitätssicherung – wir unterstützen Sie gerne bei der strategischen Bewertung für Ihre Apotheke.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Rolle spielt Medizinal-Cannabis aktuell in der Apothekenversorgung?

Seit Inkrafttreten des MedCanG im April 2024 ist eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Cannabis-Arzneimitteln zu beobachten. Der Versorgungsbedarf nimmt zu – sowohl bei GKV-Patient:innen, als auch bei Selbstzahler:innen.

Wie relevant ist der Markt wirtschaftlich für Apotheken?

Cannabis-Arzneimittel stellen aktuell ein wachsendes Segment mit überdurchschnittlicher Umsatzrelevanz pro Verordnung dar. Bereits wenige regelmäßig versorgte Privatpatienten können zur wirtschaftlichen Stabilisierung einer Apotheke beitragen.

Ist der Markt regional bereits gesättigt?

Die Versorgung ist vielerorts noch im Aufbau. Gerade auf regionaler Ebene bestehen noch Spielräume – insbesondere für Apotheken, die sich frühzeitig und qualitätsorientiert positionieren.

Welche Faktoren beeinflussen die Wirtschaftlichkeit besonders stark?

Die Verordnungsfrequenz, das Bezugsvolumen pro Patient sowie die Struktur der Abgabeprozesse (inkl. Lieferlogistik und Beratungskompetenz) spielen eine zentrale Rolle. Auch der Zugang zu telemedizinischen Rezeptwegen kann für Präsenzapotheken relevant sein.

Welche Rolle spielt Qualitätssicherung in diesem Kontext?

Eine verlässliche, dokumentierte Qualitätssicherung stärkt nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern kann langfristig zur Abgrenzung und Profilbildung von Cannabis-Arzneimitteln beitragen.

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